Aaron ist Schüler in Freiburg und im Orgateam von Fridays for Future aktiv. Leonie und Veronika sprechen mit ihm über Aktivismus, was für Herausforderungen und Chancen sich in der Coronazeit ergeben, Hassrede, seine persönlichen Motivationen und die nächsten Ziele von Fridays for Future Freiburg.
Interview vom 07.07.20
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Shownotes:
- Die "Ich bin dabei" Videos, die FFF Freiburg vor der Demo im September 2019 gedreht hat
- Das Plenum von Fridays for Future Freiburg findet momentan immer Mittwochs um 17 Uhr statt
- Kontakt zur Ortsgruppe / Newsletter abonnieren
- Die Webinar-Reihe #WirBildenZukunft auf youtube (mit Maja Göpel, Tilo Jung, Greta Thunberg, Eckart von Hirschhausen und über 60 weiteren)
Lesen (gekürzt)
Veronika: Großdemos sind eines eurer wichtigsten Protestinstrumente. Jetzt während Corona sind die ausgefallen. Wie hat sich das auf euch und eure Arbeit ausgewirkt?
Dennoch haben wir jetzt vor ein paar Wochen die größte Fahrraddemo in der letzten Zeit veranstaltet, mit 1400 Leuten. Das war für uns die erste Demo nach Corona und ist wahnsinnig gut gelaufen.
Aaron: Unsere Arbeit wurde so zu 100% in digitale Kommunikationsplattformen verlagert. Normalerweise haben wir uns jede Woche im Plenum getroffen, um das aktuellste zu besprechen. Das wurde jetzt alles vom Persönlichen zum Digitalen übertragen. Wir waren schon vorher auch digital vernetzt, um auch in den Ferien in Kontakt zu bleiben und so hatten wir schon ein bisschen die Grundvoraussetzungen und das Grundwissen dafür. Dennoch war es eine Umstellung und es sind dadurch weniger Menschen ins Plenum gekommen. Das hat dazu geführt, dass der aktive Kern noch kleiner wurde, sich dadurch aber auch noch Mal verfestigt hat. So haben wir neue Projektideen entwickelt, aber können die Großstreiks eben nicht mehr als Mittel benutzen. Dennoch haben wir jetzt vor ein paar Wochen die größte Fahrraddemo in der letzten Zeit veranstaltet, mit 1400 Leuten. Das war für uns die erste Demo nach Corona und ist wahnsinnig gut gelaufen. Trotzdem ist das keine perfekte Alternative für unsere Großstreiks.
Veronika: Was nimmst du aus dieser Zeit mit?
Einmal sind wir dadurch, dass wir eine alternative zum analogen Treffen haben, deutlich variabler in der Form, wie wir uns weiter vernetzten. Zum anderen haben wir diese Krise auch genutzt, um neue Projekte anzustoßen und nicht nur auf die altbewährten Mittel zurückzugreifen. Wir tun damit das, was wir auch von der Politik fordern, also progressive Wege zu gehen. Und, dass wir diese Zeit auch als eine Chance fürs Klima betrachten können. Dass man einen wirtschaftlichen Start hinbekommen kann, der nachhaltiger und natur- und klimaverträglicher sein kann.
Leonie: Arbeitet ihr auch auf nationaler Ebene daran nach Corona eine nachhaltigere und klimafreundlichere Wirtschaft hinzukriegen?
Ja, es ist aber ziemlich schwierig das Ganze hinzubekommen, weil eben die einzigen Mittel aktuell Netzstreiks oder Fahrraddemos sind. Und von den Fahrraddemos weiß man nicht, ob sie bei einer zweiten Corona Welle noch machbar wären. Und deshalb ist es gerade schwierig, weil einerseits ist es eine gute Chance für die Wirtschaft, aber andererseits können wir gerade nicht gut dafür sorgen das diese neue Möglichkeit aufgegriffen wird.
Leonie: Du meintest auch, dass ihr jetzt ein bisschen weniger aktive dabei habt. Wirkt sich das langfristig auch auf eure Bewegung aus und nimmt den Wind Raus?
Ich glaube, dass auch eine Chance ist. Dadurch, dass unsere Klimastreiks so ein bisschen zur Normalität wurden, gibt es jetzt die Chance, dass sobald wir wieder einen Streik machen können, dieser richtig groß wird und das Klimathema richtig pushen kann. Weil ich am Ende eher einen Abwärtstrend gesehen habe und ein bisschen Negativität gegenüber den Fridays for Future Demonstrationen. Ich denke, dass man nach einer Pause wieder besser hervorkommen kann. Dass wir weniger aktive sind, liegt aber auch daran, dass sich viele jetzt auf ihr Abi konzentrieren.
Veronika: Es gibt Kritik von Lehrer*innen und Eltern, die an die Schulpflicht erinnern und wollen, dass ihr statt freitags, in eurer Freizeit demonstriert. Wenn viele sich auf ihr Abi konzentrieren und dadurch zeitweiße weniger aktiv bei FFF sind, geht das dieser Kritik entgegen?
Keinem von uns aus dem Orgateam ist die Schule unwichtig. Niemand von uns geht demonstrieren nur um die Schule zu schwänzen, sondern es ist einfach unser Mittel. Extinction Rebellion blockiert zum Beispiel die Straße, wir gehen an einem Tag nicht in die Schule. In Freiburg war das ein Tag in zwei Monaten. Das ist der Druckpunkt, den wir hatten. Anfangs standen wir deshalb in der Öffentlichkeit in der Kritik. Dadurch das unser Demonstrieren mit der Zeit eher normal wurde, war es am Ende dann zum Glück das Thema Klima, das im Vordergrund gerückt ist. Wir sehen die Schule als Chance an um unser Wissen zu pushen. Und um durch Wissen den Klimawandel dann bekämpfen zu können.
Veronika: Kannst du ein Beispiel nennen, bei dem ihr besonders viel Gegenwind bekommen habt? Wie hat sich das auf eure Motivation ausgewirkt?
Generell wurden viele von uns aus dem Orgateam privat gehatet, auch ich persönlich. Wenn man so jung ist wie wir, ist das hart.
Generell wurden viele von uns aus dem Orgateam privat gehatet, auch ich persönlich. Wenn man so jung ist wie wir, ist das hart und schlägt sich schon auch auf die Motivation aus. Aber dadurch, dass wir ein gutes Team sind und uns gegenseitig auch in solchen Situationen ernst und zutrauend unterstützen, ist es gar kein so großes Ding. Es gibt viele unsachliche und Beleidigende Kommentare, aber generell: Darüber lachen ist wahnsinnig hilfreich!
Leonie: Woran arbeitet FFF Freiburg gerade? Und was sind eure nächsten Ziele?
Unser großes Ziel ist es unsere Forderungen zu überarbeiten. Wir haben Forderungen in unserem Katalog von Mai 2019, die speziell auf 2019 abzielen. Jetzt wollen wir unsere Forderungen spezifischer und konkreter ausarbeiten, um auch 2020 nochmal ins Visier zu nehmen. Wir wollen uns mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammensetzen und per Video Liveschaltung Gespräche führen, das ist während Corona ja gut möglich. Kleiner Projekte sind Fahrraddemos und andere kleinere Aktionen, die gerade möglich sind.
Leonie: Wie kann man euch dabei unterstützen?
Generell wollten wir die Erarbeitung der Forderungen relativ offen gestalten, das werden wir aber auch nochmal genauer erklären und nach außen trage. Leute die aktivistisch interessiert sind, werden das dann auf jeden Fall mitbekommen
Leonie: Es gibt viele andere FFF Ortsgruppen, wie steht ihr mit denen in Kontakt? Wie hast du die Stimmung in der internationalen Bewegung in der Corona Krise erlebt?
In vielen Ländern war FFF nicht so ein großes Thema wie hier in Deutschland. Dadurch das jetzt noch Corona dazu kam, ist FFF in manchen Ländern komplett verschwunden. Es ist für die dort, die nicht so eine große Reichweite haben wie hier ein bisschen schwieriger. In einer online Seminarreihe haben wir uns dazu international ausgetauscht. Mit einer Aktivistin aus dem Ausland haben darüber geredet wie es dort gerade läuft, aber auch generell mit dem Aktivismus vor Corona.
Diese Online Seminar Reihe kann man sich auch noch auf unserem YouTube Chanel Fridays for Future Deutschland anschauen. Da gibt es auch viele Webinare mit sehr prominenten Gästen wie Tilo Jung von Jung und Naiv oder auch mit Greta Thunberg und Eckart von Hirschhausen, das sind nur ein paar Namen.
Veronika: Was ist deine persönliche Motivation für deinen Aktivismus?
Generell fühle ich mich als junge Person in der Politik unterrepräsentiert, das führt auch zu einer Politikverdrossenheit, wenn man sich mit niemandem im Bundestag identifizieren kann.
Das sind ganz viele Dinge, ich kann das nicht auf einen Beweggrund runterbrechen. Einerseits ist es die Faktenlage, wie es momentan aussieht mit dem Weltklima, das es echt bedrückend ist. Andererseits das Handeln von politischen Vertretern auf Landesebene und Bundesebene oder generell auf der ganzen Welt. Dass es Länder wie die USA gibt, mit einem Präsidenten an der Macht, der den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel größtenteils leugnet und für den die Kohlewirtschaft ein zukunftsfähige Branche ist. Das ist bedrückend und traurig. Generell fühle ich mich als junge Person in der Politik unterrepräsentiert. Meines Wissens nach liegt der Altersschnitt im Landtag bei 54 Jahren, der vom Bundestag bei etwa 50. Wenn dann der jüngste Kandidat Philipp Amthor ist, macht das die ganze Sache schwierig. Es ist schade, dass es in der Politik diese Strukturen gibt. Es heißt das Politik für die Älteren ist, dabei ist sie genau auch für junge Leute. Das führt auch zu einer Politikverdrossenheit, wenn man sich mit niemandem im Bundestag identifizieren kann. Aber generell ist nicht nur die Jugend unterrepräsentiert, das sind auch andere Personengruppen.
Leonie: Wie kurz stehst du vor dem Abitur und was hast du danach vor?
Ich bin 15, also noch etwa anderthalb Jahre bis ich mein Abschlusszeugnis bekomme. Ich weiß noch nicht sicher was ich genau machen will. Ich könnte mir vorstellen dann erstmal ein halbes Jahr aktivistisch was zu machen und ob oder was ich studieren will, weiß ich jetzt noch nicht. Aber etwas in die Richtung Politik und Gesellschaft.
Veronika: Was hat sich in deinem Leben geändert seit du aktiv geworden bist gegen die Dinge, die falsch laufen auf dieser Welt?
Wenn man einmal in einem Thema politisch aktiv wird, sieht man, dass es auch in anderen Bereichen nicht so cool läuft. Was ich mitnehme ist, dass ich mir seither zu viel mehr Themen eine politisch deutlich differenziertere Meinung gebildet habe, als ich das vorher konnte, dadurch, dass ich einfach mehr mitbekomme.
Veronika: Was war deine letzte größere Maßnahme, um dein Leben nachhaltiger zu gestalten?
Meine Großeltern und andere Verwandte haben durch meinen Aktivismus ihr Verhalten überdacht, kaufen zum Beispiel noch regionaler ein und essen weniger Fleisch.
Mir ist aufgefallen, dass ich auch vor meinem Aktivismus gar nicht so umweltschädlich gelebt habe. Ich war davor schon ein oder zwei Jahr vegetarisch oder zwischen vegetarisch und vegan und achte viel darauf, tierische Produkte wenig zu konsumieren. Darauf achte ich jetzt nochmal mehr, seit ich bei FFF bin. Ich bin auch vorher schon mit dem Fahrrad zur Schule und überall hingefahren. Das krasse Umdenken war eher in meiner Familie. Meine Großeltern und andere Verwandte haben durch meinen Aktivismus ihr Verhalten überdacht, kaufen zum Beispiel noch regionaler ein und essen weniger Fleisch.
Leonie: Gab es da manchmal auch Stress und hitzige Diskussionen oder waren deine Verwandten immer einer Meinung mit dir?
Also inhaltlich gab es überhauptkeine Diskussionen oder Konflikte. Der Einzige Konflikt war immer eher die Frage, wann ich eigentlich nach Hause komme, wenn manche Treffen bis nachts um 11 gingen. Aber sonst habe ich da von meiner Familie absoluten Rückhalt. Also am 20.9. war meine komplette Familie mit auf der Demonstration.
Leonie: Und wie kann man euch von FFF Freiburg erreichen und bei euch mitmachen?
Alle Leute können gerne zur Demo kommen. Beim Orgateam wollen wir ein bisschen drauf achten, dass man unter 30 ist. Auf unserer Website gibt es einen „mach mit“ Button. Unser Plenum findet momentan mittwochs um 17Uhr statt. Am besten ihr kontaktiert uns über den Infochanel oder das Kontakt-Tool, dann geben wir euch bescheid, wo ihr mal bei einem Plenum oder Orgatreffen mitmachen könnt.
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Die Fotos wurden von Aaron Honisch zur Verfügung gestellt.
Hinweis: Die Meinung des Interviewpartners muss nicht der Meinung der Redaktion entsprechen. Bei dem Transkript handelt sich um eine gekürzte Version des Gesagten, bei der einzelne Inhalte zugunsten der Prägnanz weggelassen und mündliche Formulierungen lesbar gemacht wurden. Wir bitten um Hinweise, falls es dadurch zu Fehlinterpretationen kommt.