Die Frage nach der Ökonomie der Zukunft sollte bei der Podiumsdiskussion des "Zukunft für Alle" Kongresses beantwortet werden. Fazit: Das gelang nur sehr vage. Was dennoch aus dem Livestream mitgenommen werden konnte (und vor allem aus den Gesprächen danach), ist hier kurz zusammengefasst.
Am Mittwoch, den 27.08., wurde beim „Zukunft für Alle“-Kongress über die Ökonomie der Zukunft gesprochen. Die StadtWandler-Redaktion hat das Podium live gestreamt in Kooperation mit dem Haus des Engagements.
Die Frage des Podiums war „Wie organisieren wir demokratische und bedürfnisorientierte (Re-)Produktion?“.
Die Gäste auf dem Podium: Nic Odenwälder (Attac Koordinierungskreis), Simon Sutterluetti (Autor von "Kapitalismus aufheben"), Natalia Lizama L. (Kollektiv MAWVN) und Andrea Vetter (Konzeptwerk Neue Ökonomie).
Hinweis: Der folgende Text enthält eine Kurzzusammenfassung der Vortragenden, bei der einzelne Inhalte des Gesagten zugunsten der Prägnanz weggelassen wurden. Wir bitten um Hinweise, falls es dadurch zu Fehlinterpretationen kommt. Die dargestellten Meinungen müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen außer sie sind als solche gekennzeichnet.
Überblick:
- Statements aus dem Podium
- Stimmen aus dem Livestream-Publikum
- Ein Kommentar der Redaktion
- Lese-Inspiration zu Wirtschaft und Zukunft
Statements aus dem Podium
Nic Odenwälder (Attac Koordinierungskreis)Der Markt hat sich von einem bedarfsdeckenden zu einem bedarfsweckenden Markt entwickelt. In Zukunft soll das anders aussehen. Weniger Arbeit und mehr Zeit für persönliche Entwicklung sollte es sein. Der Wert eines Menschen muss entkoppelt werden von dessen Lohnarbeit. Es gibt das bedingungslose Grundeinkommen. Das Notwendige wird demokratisch organisiert. Dieser Wertewandel braucht eine andere Interpretation von „Arbeit“. Utopie baut auf den Möglichkeiten auf, die man hat, wenn man Zeit hat für die wichtigen Dinge, wenn es eine Grundsicherheit gibt und keine Armut mehr. Auf dieser Grundlage können Menschen bessere Entscheidungen treffen. Wir müssen demokratisch darüber debattieren, welchen Fortschritt wir wollen. |
Simon Sutterluetti (Autor: „Kapitalismus aufheben“)Es gibt drei Utopien, die zusammenkommen: Die ökosoziale Marktwirtschaft, der demokratische Staaten Sozialismus und dazwischen die befreite Gesellschaft, die sich nicht über den Markt koordiniert. Güter werden nach Bedürfnissen verteilen nicht nach Macht. Wir müssen Strukturen schaffen, die das ermöglichen und alle Menschen miteinbeziehen. Das sind neue Formen gemeinsam Entscheidungen zu treffen und Konflikte zu lösen. Es braucht die Abschaffung der Lohnarbeit und die Abschaffung des Eigentums. Die Tätigkeiten müssen so organisiert sein, dass die Leute Lust haben mitzumachen. Globalität und Vergesellschaftung statt dezentraler autonom organisierter Welt. Miteinander organisieren statt gegeneinander. Eine Gemeinsame Vision aus verschiedenen Perspektiven. |
Natalia Lizama L. (Kollektiv MAWVN)liest einen Text von Acion indígena vor. Warum können wir uns das Ende der Welt vorstellen aber nicht das Ende des Kolonialismus? Die konstante der Gewalt ist das „wir und sie“, sie, die Anderen, die „falsch“ sind. Kolonialismus ist eine Krankheit, verantwortlich für die Zerstörung der Natur, Kriege und Klimaerwärmung. Der Paradigmenwechsel muss im Kopf stattfinden. Es braucht kollektives Denken und kollektives Arbeiten. Auch Verantwortung ist im Kollektiv einfacher zu tragen. Wir müssen nicht nur sprechen, sondern handeln. Junge, Alte, alle zusammen müssen darüber nachdenken, was wir wollen. |
Andrea Vetter (Konzeptwerk Neue Ökonomie)Wir müssen im Hier uns Jetzt anfangen. Unsere Institutionen und Infrastrukturen sind sexistisch und rassistisch. Innerhalb dieser Strukturen müssen wir ein besseres Denken schaffen. Lohnarbeit und Sorge-Berufe gesellschaftlich verteilen zwischen allen Geschlechtern, einfach zwischen allen Menschen. Die Männer Branchen müssen umgedacht werden. Das geht nur, wenn wir die Geschlechterrollen in Frage stellen. Wir müssen Kontrollbedürfnisse loslassen, denn es gibt keinen genauen Plan für die Zukunft. Wir müssen das verfolgen, wo unsere persönliche Energie steckt. Welche Sprache finden wir, um über die Zukunft zu sprechen? |
-> Allen gemein ist die Idee, dass in Zukunft ohne Druck gearbeitet und gehandelt werden soll und alle Menschen mit einbezogen werden sollen.
Stimmen aus dem Livestream-Publikum
„Man kann sehr viel reden und neue Begrifflichkeiten finden. Etwas konkreter wird's ab nächsten Monat. Dann gibt es die zweite EU-Bürgerinitiative über das Grundeinkommen. Das klingt zwar nach Eurozentrismus, diese Forderung hat aber einen globalen Charakter.“
„Ich finde es frustrierend, dass es keine konkreten ökonomischen Vorgehensweisen gibt.“
„Ich habe heute eher gelernt wie man einen Medienhype generieret statt wie man die Welt ändert.“
„Es geht viel um Kulturfragen, die so tief sitzen, dass wir sie denken müssen bevor wir konkret wissen, wie wir handeln.“
„Die Spaltung zwischen Jung und Alt ist ein großes Hindernis. Wenn man auf den Dingen aufbauen würde, die schon früher getan und gelernt wurden, müssten wir weniger Energie verschleudern.“
„Es fehlt die Zentralisierung von Wissen. Wir haben sehr unterschiedliche Realitäten, wir können nicht denken wie die anderen denken. Wir haben viele Kämpfe zu kämpfen.“
„Empathie hat keinen Stellenwert in unserm Schulsystem, das finde ich bedauerlich. Schon ab einem sehr frühen Zeitpunkt werden falsche Dinge gelernt, es wird Konkurrenz und Disziplin gefördert.“
„Wir denken die Utopien nicht für uns, sondern für die nächste Generation. Wir sind nicht die, die sie leben, sondern die Aktiven, die sie hervorrufen. Das heißt doch, dass wir jetzt auch schon in der Utopie von anderen vor uns leben. Das ist ein positiver Gedanke.“
„Utopien haben das Problem nicht an das angeknüpft zu sein, was ist. Ich bin Teil von Kollektiven, die jetzt schon konkret andere Dinge leben. Ich wünsche mir, dass das weniger abgekoppelt ist.“
Ein Kommentar der Redaktion
Die Frage des Podiums „Wie organisieren wir demokratische und bedürfnis-orientierte (Re-)Produktion?“ blieb auch nach Ende der Veranstaltung noch mit einem großen Fragezeichen. Die vier Gäste auf dem Podium hatten interessante Ideen und Sichtweisen. Sie waren ähnlicher Meinung, konnten im Gespräch aber weder richtig zusammenfinden noch entstand eine Debatte, in der handfeste Argumente ausgetauscht wurden.
Wie sieht denn nun konkret die Ökonomie der Zukunft aus? Welche verschiedenen Konzepte und Visionen gibt es? Wo soll es hingehen und was müssen wir dabei noch fundiert debattieren?
Neben den vielen Fragezeichen und einem Gefühl der Unzufriedenheit gehen wir zwar aus der Podiumsdiskussion, aber nicht aus dem Haus des Engagements. Denn im HdE entstand im Nachgang des Streams noch ein ermutigender Austausch mit einigen interessierte und engagierte Menschen aus Freiburg wie die Stimmen aus dem Livestream-Publikum zeigen.
Und zum Weiterdenken empfehlen wir noch ein paar befruchtende Lesetipps, die hoffentlich ein paar konkrete Ideen und Inspiration zum Thema Ökonomie der Zukunft geben.
Lese-Inspiration zu Wirtschaft und Zukunft
Telepolis/Heise: Kapitalismus schafft nützliche Güter
In einer fünfteiligen Reihe werden die wichtigsten Argumente der marxschen Kapitalismuskritik erklärt. Teil 1 argumentiert, was von der Behauptung, die kapitalistische Produktionsweise stelle eine unermessliche Gütervielfalt her, zu halten ist.
Blog Postwachstum: Die gute Nachricht: Kapitalismus ohne Wachstum gibt es nicht
Die Autorin erläutert, warum Kapitalismus ohne Wachstum nicht geht, warum das gut so ist und dass wir Kapitalismus und Wachstum hinter und lassen müssen.
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Die Bertelsmann-Stiftung präsentiert eine Studie, in der drei Szenarien ausgeführt werden, wie sich Arbeit, Technologie und damit auch Ökonomie bis 2050 entwickeln könnte. Das Best-Case-Szenario: eine "Utopie vom Hightech-Schlaraffenland".
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