Die Verwendung von Pflanzenkohle in der Landwirtschaft beruht zum Teil auf altem Wissen und ist auch für den Anbau im eigenen Gemüsebeet geeignet. Pflanzen- oder Biokohle entsteht, wenn pflanzliche Biomasse bei hoher Temperatur und unter Ausschluss von Sauerstoff verschwelt wird.
von Roxana Zimmermann (Projektgruppe Essbare Stadt Ernährungsrat Freiburg und Region)
Klimagärtnern mit Pflanzenkohle
„In einer Handvoll gesunder Erde gibt es mehr Lebewesen als Menschen auf dem Planeten.“ Dieser Satz aus dem Buch „Humusrevolution“ von Ute Scheub und Stefan Schwarzer beeindruckt mich sehr. Zeigt er doch, wie wenig wir noch vom Leben unter der Erdoberfläche wissen und lässt doch erahnen, welche Bedeutung es auch für das Leben darüber hat.
Bedeutung von Humusaufbau in Zeiten des Klimawandels
Dass es einen direkten Zusammenhang zwischen einem gesunden Bodenleben bzw. hoher Bodenfruchtbarkeit und unserer Ernährungssicherheit gibt, scheint einleuchtend. Doch nicht nur das. Auch das Klima auf unserem Planeten sowie weitere elementare Kreisläufe, wie z.B. Wasser oder Nährstoffe, hängen damit zusammen.
Denn gesunder Boden besitzt in hohem Maße die Fähigkeit, über die natürlichen Nährstoffkreisläufe CO2 aufzunehmen und langfristig zu speichern. Daher bezeichnete der US-Amerikanische Agrarwissenschaftler Timothy La Salle die Photosyntheseleistung von Pflanzen auch als „planetarisches Geo-Engineering“. Pflanzen holen dabei Kohlendioxid aus der Luft sowie Wasser und Nährstoffe aus dem Boden und produzieren mittels Sonnenenergie daraus lange Kohlenhydratketten: Zucker, Stärke, Zellulose. Einen Teil des Kohlenstoffs verfrachten sie über ihre Wurzeln unter die Erde. Sterben die Pflanzen, gelangt im Rahmen des globalen Kohlenstoffkreislaufs ein Anteil wieder als CO2 in die Atmosphäre, ein anderer verbleibt im Boden und wird unter günstigen Bedingungen zu stabilem Humus.
AktivistInnen und WissenschaflterInnen setzen sich heute weltweit für eine „Rekarbonisierung“ von Böden (im Gegensatz zur „Dekarbonisierung“ der Weltwirtschaft, die auf dem G20-Gipfel 2016 gefordert wurde) ein. Sowohl der Weltklimarat IPCC als auch andere KlimaforscherInnen sind sich nämlich einig, dass es für eine Begrenzung der Klimaerwärmung nicht ausreicht, nur die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Es muss auch aktiv CO2 aus der Atmosphäre entzogen und dauerhaft gespeichert werden (Rockström et al. 2017).1 Genau das können landwirtschaftliche Anbauformen, die auf eine Verbesserung des Bodenlebens abzielen, leisten. Durch humusaufbauende Methoden der Landbewirtschaftung kann Kohlenstoff aus der Atmosphäre gebunden und zurück in den Boden gebracht werden – wo er aufgrund von Entwaldung, Humusabbau und Bodenerosion ohnehin immer mehr fehlt. Denn Kohlenstoff ist ein Hauptbestandteil von Humus. Eine solche Methoden möchte ich in diesem Beitrag genauer unter die Lupe nehmen, nämlich die Verwendung von Pflanzenkohle.
Pflanzenkohle für die Verbesserung von Kompost und Boden
Die Verwendung von Pflanzenkohle in der Landwirtschaft beruht zum Teil auf altem Wissen und ist auch für den Anbau im eigenen Gemüsebeet geeignet. Pflanzen- oder Biokohle entsteht, wenn pflanzliche Biomasse (also z.B. Holz, Hecken-, Baum- oder Grasschnitt) bei hoher Temperatur und unter Ausschluss von Sauerstoff verschwelt wird.2 Bei der Verbrennung von Biomasse, wie in einem Lagerfeuer oder – langsamer – auf einem Komposthaufen, entweicht das in den Pflanzen gespeicherte CO2 wieder in die Atmosphäre. Anders beim Vorgang der Verschwelung: Hier bleibt das zuvor von den Pflanzen aus der Luft gebundene CO2 bis zu einem Drittel im Endprodukt, der Biokohle, dauerhaft stabil gebunden. Durch die Einbringung in den Boden kann der Kohlenstoff dann für lange Zeit gespeichert werden. Die Verwendung von Pflanzenkohle hat aber auch noch weitere Vorteile: Mit ihrem sehr feinen Porensystem wirkt die Biokohle im Boden wie ein Schwamm, der dauerhaft Nährstoffe und Wasser festhalten kann. So wird die Wasser- und Nährstoffspeicherkapazität gesteigert. Außerdem finden auf der Oberfläche der Kohlestücke mikrobische Bodenorganismen (ein weiterer Teil der Pflanzennahrung) ein gutes Biotop.
Terra Preta do Índio
Welchen Einfluss der Einsatz von Pflanzenkohle auf die Bodenfruchtbarkeit haben kann, zeigen eindrucksvoll alte Funde von Schwarzerde-Vorkommen im Amazonasgebiet (sogenannte „Terra Preta do Índio“). Vor bis zu 7000 Jahren bauten die dort lebenden Indianer durch mit Holzkohle gebundenen Kompost so humusreiche Böden, dass Farmer von ihnen teilweise bis heute profitieren (und sie zum Großteil für leider alles andere als klima- und bodenfreundliche Anbauzwecke verwenden …). Die Biokohle bewirkt als strukturgebendes Substrat in diesem Fall offenbar, dass sich die relativ kleinen und instabilen Huminsäuremoleküle zu stabilen Großmolekülen verketten und so „Dauerhumus“ entsteht. Ein weiterer Vorteil der Verkohlung ist, dass die sogenannten leicht flüchtigen Kohlenstoffverbindungen der Biomasse als brennbares Gas entweichen, welches (v.a. in Ländern des Globalen Südens) in speziellen Holzgasöfen z.B. zum Kochen verwendet werden kann. Auch zum Hygienisieren von Fäkalien in Komposttoiletten lässt sich die Kohle einsetzen. So lassen sich durch diese Technologie gleich mehrere lokale Kreisläufe stärken.
Biokohle (Quelle: www.klimagarten.uni-tuebingen.de)
Pflanzenkohle selbst herstellen
Wie kommt man nun zu dem „schwarzen Gold“? Biokohle kann im Prinzip in jedem Garten, z.B. mit einer Bodengrube oder aber in einem Pyrolyseofen hergestellt werden. Das Grundprinzip besteht in einer nach oben offenen, vom Boden und den Seiten aber luftdichten Umfassung. Durch das Anfeuern am Boden entsteht ein kräftiges Glutbett, das die Biomasse so stark erhitzt, dass sie auszugasen beginnt. Das austretende Pyrolysegas entzündet sich an der Glut und sorgt für ein gleichmäßiges Feuerbett an der Oberfläche, welches gleichzeitig das Eindringen von Sauerstoff von oben verhindert. Unter dem Feuer wird dann bei über 600°C der Pyrolyseprozess abgeschlossen und verhindert, dass die so entstandene Pflanzenkohle abbrennt und verascht. Schicht für Schicht wird nun weitere Biomasse aufgeworfen und am Ende des Prozesses mit Wasser abgelöscht (Urin, z.B. aus einer Komposttoilette, wäre auch eine gute Möglichkeit). In Europa war das Schweizer Ithaka-Institut maßgeblich beim Erproben und Verfeinern dieser traditionellen Methode der Kohleherstellung beteiligt. Auf der Seite des Instituts findet sich eine einfache und nachvollziehbare Anleitung für den Erd-Kon-Tiki3: https://www.ithaka-institut.org/ithaka/media/doc/1462795288103.pdf
Das Institut entwickelten auch den ersten Kon-Tiki-Meiler aus Stahl. Die Anleitung zum Bau eines Kon-Tikis aus Stahl wurde als open source zur Verfügung gestellt, sodass das Verfahren mittlerweile in verschiedenen Ländern erprobt und weiterentwickelt wird. (Für eine Darstellung unterschiedlicher Modelle siehe zum Beispiel den Bericht eines Praxisworkshops auf dem Projekthof Alte Mühle Gömnigk: https://anstiftung.de/images/Bauanleitung_Praxisblatt_Kontiki.pdf). Bereits fertige Kon-Tikis gibt es in unterschiedlichen Größen bei Firmen wie Terra Magica, Söll Metall oder Prodana ab circa 800 € zu kaufen. Bei der Verwendung eines professionellen Kon-Tikis kann die Pflanzenkohle vom Boden des Meilers her mit Wasserdampf oder auch mit (organischen) Nährstofflösungen (z.B. Urin oder Jauche) abgelöscht werden. Dadurch wird die Pflanzenkohle zusätzlich „aktiviert“, was deutlich höhere Oberflächen der Kohlepartikel ergibt und eine bessere Nährstoffbeladung erlaubt. Zudem kann das sogenannte „Quenchwasser“ im Kon-Tiki zurückgewonnen werden und als wertvoller organischer Blattdünger und Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden.
Praxisprojekte
Mittlerweile gibt es in Deutschland und weltweit immer mehr Praxisprojekte, die mit der Verwendung von Pflanzenkohle und anderen Methoden des Klimagärtnerns experimentieren. Eines der ersten war der Klimagarten in Tübingen. Die Initiatorin Sarah Daum berichtet, dass dort ab 2012 verschiedene Versuchsflächen angelegt und ein Gemeinschaftsgarten gegründet wurde. Das Wissen erarbeiteten sich die Beteiligten größtenteils selbst, teilweise gab es aber auch Beratung von ExpertInnen. Zunächst kauften die KlimagärtnerInnen noch Pflanzenkohle aus einer lokalen Pyrolyse-Anlage zu. Als das Ithaka-Institut seine Versuche zur eigenen Herstellung veröffentlichte, begannen sie auch eigene Erdmeiler und Pyrolyseöfen zu bauen. Dabei war die Devise immer: So einfach wie möglich! Auch die Verbreitung des Wissens an andere Interessierte stand im Mittelpunkt. Von der Wirksamkeit der Pflanzenkohle im Kompost ist Sarah Daum überzeugt. Auch die auf der Versuchsfläche durchgeführten Forschungsarbeiten konnten bestätigen, dass der Einsatz von Pflanzenkohle Bodenfruchtbarkeit und Wasserspeicherkapazität steigern kann. Eine Universallösung sei sie aber nicht, sondern man müsse die jeweiligen Standortfaktoren berücksichtigen und sich natürlich trotzdem um die Pflanzen kümmern.
Versuchsfläche im Klimagarten Tübingen kurz nach dem Anlegen (Quelle: www.klimagarten.uni-tuebingen.de)
Versuchsfelder mit Winteremmer im Oktober 2012 (Quelle: www.klimagarten.uni-tuebingen.de)
Herstellung
Egal ob im Erd- oder Stahlmeiler (oder einer Kombination aus beidem) gibt es bei der Herstellung ein paar Dinge zu beachten, die Einfluss auf die Qualität der Pflanzenkohle und den bei der Verkohlung entstehenden Emissionen haben:
Richtige Mischung der Biomassen und Energieverteilung
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Schlecht verteiltes Aufschichten von Biomasse führt zu Rauch und zu nachlässig aufgeschichtete Biomasse zu viel Asche
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Zu geringe oder ungleichmäßige Hitze: Das führt dazu, dass das Brenngut nur unvollständig verkohlt wird
Qualität der Rohstoffe
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Pflanzenkohle wird idealerweise aus trockener, nährstoffarmer Biomasse (z.B. Holz, Strauchschnitt) hergestellt. Feuchte Biomasse am besten zuerst trocknen lassen. Nährstoffreiche und feuchte Biomasse sollte besser kompostiert oder gegebenenfalls als Mulch verwendet werden4
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Nur naturbelassene, unbehandelte Biomasse verwenden! (Kein lackiertes oder imprägniertes Holz - daher besondere Vorsicht bei Altholz aus dem Außenbereich)
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Nur lokales, überschüssig vorhandenes Material verwenden, um keinen Raubbau zu betreiben
Ablöschen
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Vollständig Ablöschen, sonst schwelt das Brenngut weiter und schließlich bleibt nur Asche übrig
Die Bedienung eines Kon-Tiki ist eigentlich sehr einfach. Mit ein wenig Übung und Beobachtung erlernt man die nötigen Details, auf die es für eine saubere Verschwelung und gute Kohlequalität ankommt. Die folgende Anleitung des Ithaka-Instituts kann weiterhelfen: https://www.ithaka-institut.org/ithaka/media/doc/Kon-Tiki_Anleitung.pdf
Pflanzenkohle kaufen
Wer auf Nummer sichergehen möchte, kann im Fachhandel auch bereits fertige Pflanzenkohle aus professionellen Pyrolyseanlagen kaufen (eine Übersicht der Verkaufsstellen gibt es z.B. beim Fachverband Pflanzenkohle e.V.). Eine tolle regionale Alternative ist die in einer Modellanlage der Freiburger Abfallwirtschaft (ASF) hergestellte Biokohle. Diese kann zu den regulären Öffnungszeiten beim Recyclinghof St. Gabriel (Liebigstraße) gekauft werden. Der Preis pro 50l Sack beträgt 49 € (Stand Januar 2021). Es gibt keine Mindesteinkaufsmenge, sodass die Kohle auch für KleingärtnerInnen erschwinglich ist.
Gärtnern mit Pflanzenkohle
Vor der Ausbringung im Garten sollte die Kohle mit anderen nährstoffreichen Reststoffen kompostiert werden, damit die freien Nährstoffspeicherplätze der Kohlepartikel sozusagen „belegt“ werden. Als Vorschlag für einen Terra Preta Kompost habe ich im Internet folgende Zusammensetzung gefunden:
10 % Biokohle + 30 % leicht zersetzbares, zerkleinertes organisches Material (z.B. Grasschnitt, Küchenabfälle) + 40 % tierische oder menschliche Fäkalien + 10 % zellulosereiches Material (z.B. Holzschnitt, kleine Äste, Blätter) + 10 % mineralische Bestandteile (z.B. Tonscherben, Gesteinsmehl, Lehmerde)
(Quelle: https://anstiftung.de/images/Bauanleitung_Praxisblatt_Kontiki.pdf)
Optimal wäre es die Pflanzenkohle vor der Kompostierung zu mahlen (falls nicht ohnehin schon gemahlen gekauft). Gemahlene Kohle nimmt nämlich mehr Wasser auf und bewirkt durch die gleichmäßigere Verteilung im Boden auch eine bessere Wirksamkeit. Ansonsten sollten die Partikel einfach so klein, wie möglich sein.
Generell gilt, dass Kohle nicht überall, auf jedem Boden und für jede Pflanze gut sein muss. Sie hat z.B. eine kalkende Wirkung und damit Einfluss auf den ph-Wert des Bodens. Daher sollte man am besten im Garten zunächst nur einige Flächen mit Biokohle-Kompost bestücken, um Vergleichswerte zu haben und beobachten zu können. Auch die Reduktion von Emissionen und die Anreicherung von Kohlenstoff in Form von Humus ist abhängig von der Art des Bodens, dem Klima und anderen Faktoren.
Fazit
Natürliche Bodenbildungsprozesse brauchen sehr, sehr viel Zeit. Die Übertragbarkeit der über Jahrtausende entstandenen Terra Preta in unsere Breitengrade und die Wirksamkeit der Pflanzenkohle ist nicht unumstritten (auch wenn es Funde von menschgemachten, pflanzenkohlehaltigen Schwarzerden in Europa gibt, z.B. um historische Kohlemeiler herum). Sie ist kein uneingeschränktes Allheilmittel für die Probleme des Klimawandels - schon gar nicht, wenn groß-industrielle Interessen involviert sind (hier wäre besonders die Bezugsquelle für fertige Pflanzenkohle zu beachten) oder die Einbringung in den Boden beliebig hochskaliert wird (das könnte dann auch als eine Form des umstrittenen Geo-Engineerings gesehen werden). Die Verwendung im eigenen bzw. urbanen Garten ist einen Versuch aber allemal wert. Lokal angepasste Verwendungsformen und gegenseitiger Austausch können helfen, Wissen zu generieren und zu verbreiten.
Enden möchte ich mit einem passenden Zitat aus Albert Schweitzers „Ehrfurcht vor dem Leben“: »Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.«
Quellen und weiterführende Literatur/Links:
Die Humusrevolution | oekom verlag
Rockström J, Gaffney O, Rogelj J, Meinshausen M, Nakicenovic N, Schellnhuber HJ. 2017. A roadmap for rapid decarbonization. Science 355.
http://www.ithaka-journal.net/kohlenstoff-senken-furs-klima
https://oya-online.de/article/read/586-staub_zu_erde.html
Pflanzenkohle – Fachverband Pflanzenkohle e.V.
https://www.ithaka-institut.org/de/kon-tiki
Pflanzenkohle Produktverzeichnis – Fachverband Pflanzenkohle e.V.
https://www.klimagarten.uni-tuebingen.de/
1 Dieser Vorgang wird auch „Negative Emissionen“ genannt. Überall da, wo im Erdsystem Kohlenstoff fixiert und langfristig gelagert wird, spricht man dann von Kohlenstoffsenken.
2 Diesen Vorgang nennt man in der Fachsprache auch „Pyrolyse“
3 Der Name Kon-Tiki geht auf einen südamerikanischen Sonnen- und Feuergott zurück
4 Bei European Biochar gibt es eine Positivliste geeigneter Materialien: https://www.european-biochar.org/biochar/media/doc/1370383494539.pdf