Am Dienstag 20.10. war eine Podiumsdiskussion zur Frage "Braucht es ein Lieferkettengesetz?". Diskutiert haben Vertreter aus Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft. Wir haben ihre Standpunkte zusammengetragen und ein FAQ zum Thema zusammengestellt.
Bei der Podiumsdiskussion hat sich gezeigt: Es herrscht noch keine Einigkeit über die Ausgestaltung des Lieferkettengesetzes, außerdem fehlen konkrete Vorschläge, wie es umgesetzt werden kann.
Standpunkte der Diskutierenden:
Vertreter aus Politik Johannes Fechner, MdB der SPD: Ein Geschäftsmodell sollte nicht darauf aufgebaut werden, dass Umsatzrendite wichtiger ist als Menschenrechte. Die Wirtschaft muss zur Verantwortung gezogen werden. Deutschland soll mit dem Lieferkettengesetz als Vorbild in der EU vorangehen.
Vertreter aus Zivilgesellschaft Uwe Kleinert, Werkstatt Ökonomie e.V.: Die Verantwortung darf nicht den Endverbrauchern auferlegt werden. Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen. Politik und Wirtschaft müssen Verantwortung übernehmen.
Vertreter aus Wirtschaft, Stephan Wilcken, Südwestmetall Freiburg: Wirtschaftsverbände sind nicht gegen das Lieferkettengesetz, wenn die Ausgestaltung stimmt. Sie wollen EU-weit einheitliche Regelung, damit Unternehmen in Deutschland keine Wettbewerbs-Nachteile haben. Die Frage ist, bis zu welchem Zulieferer soll die Kette gehen? Ab dem dritten Zulieferer kann man die Produktionsbedingungen nicht mehr nachvollziehen.
FAQ zum Lieferkettengesetz
1. Was versteht man unter einer Lieferkette?
Die Lieferkette beschreibt Unternehmen und Lieferanten, die an verschiedenen Stellen der Produktherstellung beteiligt sind. Sie beginnt bei der Förderung der Rohstoffe und endet bei der Entsorgung. Durch die Globalisierung sind Lieferketten oft international und reichen über viele Länder hinweg.
2. Was ist das Lieferkettengesetz?
Alle Unternehmen entlang der Lieferkette müssen Menschenrechte achten. Unternehmen müssen dafür sorgen, dass ihre Zulieferer keine Ausbeuter-Betriebe sind. Diese „Sorgfaltspflicht“ wurde 2011 von den Vereinten Nationen als „UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte“ beschlossen. Deutschland hatte zuerst darauf gesetzt, dass Unternehmen freiwillig der Sorgfaltspflicht nachkommen. Weil sich viele deutsche Unternehmen nicht ausreichend daran halten, soll es jetzt das verbindliche Lieferkettengesetz geben.
Das Lieferkettengesetz soll
- die Pflichten definieren, die Unternehmen beim Schutz von Menschenrechten entlang der Lieferkette haben.
- definieren, wie Unternehmen diesen Pflichten nachkommen können.
- Unternehmen zu Berichterstattung über ihr Anstrengungen dafür verpflichten.
- Rechte von Arbeitnehmenden stärken und die Möglichkeit bieten, Schadensersatzansprüche in Deutschland zu stellen.
3. Warum brauchen wir das Gesetz?
Unser Wohlstand hängt von globalen Lieferketten ab. Nicht nur das, auch die wirtschaftlichen Chancen von Entwicklungsländern werden von ihnen beeinflusst. Viele Menschen, darunter auch Kinder leiden unter schlechten Arbeitsbedingungen, sie werden ausgebeutet. Die Menschenrechtsverstöße in diesem System sind seit Jahren bekannt, aber noch immer nicht aus der Welt geschafft. Der Ansatz, dass Unternehmen dies freiwillig lösen, reicht also nicht aus, ein verbindliches Gesetz soll die Unternehmen nun verpflichten Menschenrechte entlang der Lieferkette zu schützen. Es soll außerdem eine Möglichkeit für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen bieten, diese vor Gericht geltend zu machen.
4. Gilt das Gesetz für alle Unternehmen?
Es herrscht noch keine Einigung darüber für welche Unternehmen das Gesetz gelten soll. Große Unternehmen sollen mehr in die Pflicht genommen werden als Kleine und Mittelständische Unternehmen. Ob das Gesetz für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten oder mehr als 5000 Beschäftigten gelten wird, ist noch nicht entschieden. Die Initiative Lieferkettengesetz fordert, das Unternehmen ab 250 Beschäftigten betroffen sein sollen. Zudem sollen kleinere Unternehmen betroffen sein, wenn ihr Haupttätigkeitsfeld in einem Risikosektor liegt. Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten, sollten von der Regelung ausgenommen werden.
5. Welche Strafen soll es für Nichteinhaltung geben?
Gefordert wird, dass die Sorgfaltspflicht und Berichterstattung über angemessene Bemühungen zur Einhaltung der Menschenrechte bei den Unternehmen liegen. Ein Verstoß gegen die Sorgfalts- und Berichtspflicht soll zu angemessenen Sanktionen führen. Das sind beispielsweise Bußgelder. Im Schadensfall kann sich ein Unternehmen durch Nachweis angemessener Maßnahmen entlasten. Unternehmen werden dann belangt, wenn sie nachweislich fahrlässig gehandelt haben. Die Entscheidung liegt bei dem zuständigen Gericht. Es ist noch nicht festgelegt, ob Unternehmen bei Verstößen auch zivilrechtlich Haften. Außerdem soll es Beschwerdesysteme geben und letztendlich auch Klagemöglichkeit in Deutschland.
6. Was sagen die Unternehmen dazu?
Viele der großen Wirtschaftsverbände lehnen eine gesetzliche Verpflichtung zur Einhaltung der Sorgfaltspflicht ab. Auch eine Beschränkung der Sorgfaltspflicht nur auf den ersten Zulieferer wurde gefordert. Andererseits gibt es viele Unternehmen, die sich für eine gesetzliche Regelung einsetzen. Viele Unternehmen hätten mehr Einfluss auf die Arbeitsbedingungen in anderen Ländern, als einzelne.
7. Wird dann alles teurer für uns?
Preisentwicklungen sind schwer vorherzusagen. Sie hängen davon ab, wie die Unternehmen höhere Kosten auf den Endpreis umlegen. Die Initiative Lieferkettengesetz geht davon aus, dass die Mehrkosten für Unternehmen durch ein Lieferkettengesetz in einem überschaubaren Rahmen bleiben. Sie führen das Beispiel Schokolade an. So gehen vom durchschnittlichen Preis einer Tafel Vollmilchschokolade (0,89 Euro) aktuell zwischen vier und fünf Cent als Lohn an die KakaobäuerInnen in Ghana und der Elfenbeinküste. Um einen existenzsichernden Lohn zu erreichen, würde der Endpreis für VerbraucherInnen in Deutschland um etwa fünf Cent steigen.
8. Welche Streitpunkte gibt es noch?
Es steht noch nicht fest, für Unternehmen welcher Größe das Gesetz gelten soll. Auch ist unklar wie Unternehmen haften sollen. Der Mangel an EU-weiten Regelungen ist ebenfalls eine Hürde.
9. Führt das zu Wettbewerbsnachteilen gegenüber Unternehmen in anderen EU-Länder?
Innerhalb Deutschlands schafft das Gesetz gleiche Bedingungen unter den Unternehmen. Demnach hätten verantwortungsbewusste Unternehmen keinen Nachteil mehr, gegenüber anderen. EU-weite Regelungen sind gefordert, es gibt sie aber noch nicht. Eine Möglichkeit dem Ungleichgewicht entgegenzuwirken könnten Qualitätssiegel sein.
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Quellen:
https://lieferkettengesetz.de/faq/
https://www.bmz.de/de/themen/lieferketten/index.html