Die "Kartevonmorgen" beantragt beim Bundesumweltministerium 2 Mio € Förderung für ein "Klima?-Wandel!-Karten"-Projekt. Wir sehen durch das Projekt nicht nur unsere, sondern auch die Existenz anderer und zukünftiger Regioportale gefährdet.
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(Update 28.05.2021) Am gestrigen Abend änderte kartevonmorgen den Projektnamen auf all seinen Internet-Präsenzen von "Klimafit-Karte" in "Klima?-Wandel!-Karten". Uns erreichte eine dringende Bitte des Helmholtz-Verbunds "REKLIM", hier klarzustellen, dass es keine Verbindung von Kvm mit dem gemeinsamen "Klimafit" Projekt des Helmholtz-Verbunds und dem WWF Deutschland gibt. Die hier genannten Kritikpunkte betreffen somit in keiner Weise das klimafit-Kooperationsprojekt des Helmholtz-Verbunds und dem WWF Deutschland, sondern allein das nun umbenannte Projekt von kartevonmorgen. Wir werden den Fördergeber BMU ebenfalls entsprechend informieren.
Mit öffentlichen Geldern soll ein einzelner Anbieter gefördert werden, der Suchmaschine, Redaktionssystem und Projektberatung in einem anbietet und sich von den Regionen alle Urheberrechte übertragen lässt.
In diesem Artikel legen StadtWandler und Geeks4Change dar, warum der „Klima?-Wandel!-Karten“-Antrag in seiner jetzigen Form Monopolisierung fördert und der Wandel-Bewegung schadet. Das ist den mit-antragstellenden Organisationen Gemeinwohlökonomie und Transition Netzwerk wahrscheinlich nicht bewusst, denn sie stehen für etwas anderes. Nach jahrelanger erfolgloser Kommunikation mit den Verantwortlichen der Kartevonmorgen (Kvm), sehen wir uns gezwungen, diese Kritik öffentlich zu äußern. Wir richten uns hiermit direkt an das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) als möglichen Förderer des Projekts und fordern, den Antrag in der aktuellen Form nicht zu bewilligen.
Zur Vorgeschichte
Geeks4Change haben vor einem Jahr einen "Letter of Intent" für das "Klima?-Wandel!-Karten" Projekt geschrieben, in dem Bedingungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit formuliert wurden. Bis heute erreichte Geeks4Change keine Antwort dazu. Stattdessen ging am 25.04.2021 eine Mitteilung von Kvm bei StadtWandler ein. Darin wurden StadtWandler dazu angehalten, ihre rund 600 Organisationseinträge zur Verfügung zu stellen. Kvm setzte StadtWandler außerdem in Kenntnis, dass Kvm für das Förderprojekt eine andere Freiburger Organisation für die Redaktion beauftragen will. StadtWandler sieht sich damit in seiner Existenz bedroht, sodass nun nur noch der Schritt an die Öffentlichkeit und das BMU bleibt. Wir können uns vorstellen, dass es in anderen Regionen ähnliche Probleme gibt. Und sind uns sicher: Auch zukünftige Generationen, die ihre regionale Initiative in Zukunft professionalisieren möchten, werden dieses Problem bekommen. Denn die Weichen dafür werden heute gestellt.
Ein stolzes Resümee von 5 Jahren StadtWandler-Arbeit
Die StadtWandler Redaktion baut seit 5 Jahren ein eigenes Portal auf. Auf einer eigenen Karte wurden rund 600 Initiativen und Unternehmen kartiert, über 70 Artikel über die Freiburger Nachhaltigkeits-Community (mit teils überregionaler positiver Resonanz) geschrieben, Gründende und Engagierte interviewt und knapp 80 Newsletter Ausgaben versandt. Die Community steuert Termine im Kalender bei, die Redaktion ergänzt. Das Team besteht mittlerweile aus vier Personen.
Die StadtWandler Redaktion steht dafür ein, dass alle Inhalte der Plattform qualitativ hochwertig, aktuell und relevant sind. Sie greift aktuelle, regionale und auch konflikthafte Themen auf und beleuchtet sie aus verschiedenen Perspektiven. Sie macht das nach dem Konzept des konstruktiven und lösungsorientierten, gemeinnützigen Nachhaltigkeits-Journalismus, allparteilich, bzw. nur der Nachhaltigkeit verpflichtet. Sie entwickelt die Plattform (ehrenamtlich unterstützt vom Geeks4Change-Team) im Austausch mit der Community weiter. Sie steht in engem Kontakt zu vielen Akteuren und macht regionale Netzwerkarbeit, die eine hohe personelle Kontinuität benötigt. In einer Stadt wie Freiburg wären eigentlich zwei bis drei Vollzeitstellen nötig, um diese Arbeit gut zu machen.
Bisher arbeiten wir als StadtWandler Redaktion ausschließlich ehrenamtlich. Und wir kämpfen ums Überleben. Aktuell wenden wir viel Zeit und Energie auf, um Förder- und Trägerschaftsmodelle zu erarbeiten und unsere Arbeit langfristig zu sichern. Die Kartierung von Organisationen ist dabei ein wichtiger Baustein, der bei der Netzwerkarbeit und der Finanzierung hilft, etwa für Sponsoring und den Aufbau eines Förderkreises. Es ist jedoch nur ein Teil der tagtäglich anfallenden Redaktionsarbeit.
Unterstützt von Hubs4Change von den Geeks4Change
Aus den Anforderungen der alltäglichen Redaktionsarbeit heraus haben Geeks4Change über die letzten Jahre ein eigenes Redaktionssystem entwickelt: Hubs4Change. Die Freie Software wird bisher hauptsächlich in ehrenamtlicher Arbeit federführend von dem Software-Kollektiv Geeks4Change entwickelt. Neben den StadtWandlern wird sie bereits von Initiativen in Bonn, der Schweiz und Mecklenburg-Vorpommern erprobt und genutzt. Ziel ist es, Nachhaltigkeitsinitiativen ein auf ihre Bedürfnisse abgestimmtes Plattformkonzept anzubieten, das nicht nur eine Karte enthält sondern auch Kalenderfunktionen und besagtes Redaktionssystem.
Hubs4Change wurde in den letzten Jahren immer besser auf die Bedürfnisse von Regionalinitiativen angepasst. Es bietet im Unterschied zu Kvm eine ausgeklügelte Rechteverwaltung und erlaubt den Redaktionen co-kreativ mit ihrer Community zusammen zu arbeiten. So können Besuchende neue Organisationen und Änderungen vorschlagen und eingeloggte User ihre eigenen Organisationen selbst verwalten. Die Redaktion achtet darauf, dass alles aktuell ist, auch die Einträge, die nicht von den Aktiven selbst gepflegt werden.
„Klima?-Wandel!-Karten“-Antrag: Monopolisierung durch öffentliche Gelder
Die Kvm hat einen griffigen Slogan: „Alles Gute auf einer Karte“. Schauen wir uns zunächst an, was sich dahinter verbirgt:
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Kvm ist eine Suchmaschine: Initiativen, Unternehmen und Termine können per Stichwortsuche, nach Schlagworten oder Orten durchsucht werden.
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Kvm ist ein Redaktionssystem: Jede kann alle Einträge ohne Registrierung ändern, bewerten, kommentieren und neue Einträge hinzufügen. Eine weitergehende Rechteverwaltung gibt es nicht.
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Kvm macht Schulungen und Beratung von Regioportalen zu den Kvm-eigenen Angeboten.
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Kvm vermarktet sich als Standard-Lösung zum Kartieren von Organisationen und bietet ihr Angebot flächendeckend an.
Es ist kaum zu erwarten, dass Kvm eine unabhängige Beratung von Regioportalen leistet. Das ist weniger als Vorwurf zu verstehen, sondern eine Konsequenz aus der Ballung von Angeboten, die die Kvm mit der Zeit angehäuft hat. In den Materialien, bspw. im Blog finden sich so gut wie keine Hinweise auf andere Angebote. Problematisch ist dies bei der Beratung von Regioportalen, die jeweils für ihre individuelle Situation die beste Lösung suchen. Sie können kaum erwarten, eine andere Antwort zu bekommen als: Nimm die Kartevonmorgen, wir zeigen dir auch gleich wie es geht.
Problematisch ist, dass dies mit öffentlichen Mitteln gefördert werden soll. Denn dann wird die Verdrängung von Ansätzen, die sich selbst finanzieren müssen, massiv beschleunigt. Davon betroffen sind Regioportale wie StadtWandler, die andere Redaktiossysteme als die Kvm nutzen und die Entwickler eben dieser anderen Redaktionssysteme wie die Geeks4Change.
Das ist das, was wir Monopolisierung durch öffentliche Gelder nennen. Und das ist das Gegenteil von den Grundwerten, für die die Transition Town Bewegung und Gemeinwohlökonomie stehen.
Selbst wenn die Ansätze von Kvm in allen aufgezählten Fällen die beste Lösung wären , würde die Verflechtung und Konzentration von Macht bei einem Akteur künftige Generationen daran hindern, bessere Lösungen zu entwickeln.
Wir möchten eine Förderung von möglichst vielfältigen Ansätzen, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Wandel-Arbeit vor Ort gerecht zu werden. Öffentliche Förderung darf nicht einzelnen Lösungen ein Monopol verschaffen, die dann andere verdrängen.
Die Daten denen, die sie erschaffen
Regioportale in mittelgroßen Städten, wie StadtWandler kartieren im Laufe der Zeit gut und gerne mehrere Hundert Datensätze allein an Organisationsdaten und halten sie aktuell. Im Fall von StadtWandler, sind daran die Redaktion und die kartierten Organisationen selbst beteiligt. Diejenigen Regioportale, die ihre Arbeit professionalisieren möchten, sind nicht nur auf die Nutzung dieser Daten angewiesen. Sie müssen auch die Kontrolle darüber haben, wie ihre Daten von anderen genutzt werden dürfen (Stadtwandler etwa verlangt eine Rückverlinkung zu ihnen und „Ändern-Link“ bei jedem Eintrag). Andernfalls müssen sie ständig befürchten, dass andere Akteure ihnen mithilfe ihrer selbst erhobenen Daten Konkurrenz machen.
Die Nutzung der Kvm Daten ist jedoch nur unter bestimmten Bedingungen möglich. Denn die Regioportale haben gar nicht mehr das primäre Nutzungsrecht, geschweige denn Einfluss darauf, wer die Daten sonst noch nutzen darf. Darüber verfügt allein Kvm bzw. lässt sich alle Rechte übertragen. .
Hier werden Weichenstellungen bis weit in die Zukunft getroffen. Denn die Übertragung der Reche an die Kvm ist irreversibel.
Kvm ist keine Standard-Lösung
Daneben gibt es noch ein praktisches Problem: In Freiburg existieren Kvm und Regioportal schon seit langer Zeit nebeneinander. Zwei ähnliche Angebote in der gleichen Region tragen jedoch nicht zur besseren Orientierung bei. Hier wird deutlich, dass die Kvm eben nicht die Standard-Lösung ist, die sie vorgibt zu sein („Alles Gute auf einer Karte“), sondern eine Lösung neben anderen. Das StadtWandler Portal hat deutlich mehr und aktuellere Einträge mit einem deutlich umfangreicheren Datenmodell und Pflege-Konzept. Außerdem hat StadtWandler einen umfassenden journalistischen Anspruch an Wandel-Arbeit, und pickt sich nicht nur die Kartierung heraus .
StadtWandler könnte das die Existenz kosten
Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Anfrage von Kvm an StadtWandler sehr viel brisanter, als sie zunächst erscheint:
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Geben StadtWandler ihre Daten an Kvm, gibt es 2 Stellen, wo die Einträge bearbeitet werden. Ein Abgleich ist dann nur noch mit hohem Arbeitsaufwand möglich.
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Geben StadtWandler ihre Daten an Kvm, hat Kvm die ausschließlichen Rechte an allen Daten und kann StadtWandler jederzeit selbst oder über Partner konkurrieren .
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Geben StadtWandler ihre Daten nicht an Kvm, soll laut Kvm eine andere Freiburger Initiative mit öffentlichen Geldern beauftragt werden, die Kvm Datenbank zu füllen, und in Konkurrenz um Reichweite und regionale Förderer zu StadtWandler treten.
Anstatt der eigentlichen Arbeit nachzugehen, müssen sich StadtWandler nun damit befassen, diese massive Bedrohung der eigenen Arbeit abzuwenden. Das ist das Gegenteil von dem, was ein Klimaschutz-Projekt bezwecken sollte, vor allem wenn es öffentlich gefördert ist. Das ist auch das Gegenteil von dem, wofür die Wandelbewegung wie Transition Initiativen steht.
StadtWandler sieht sich in der Existenz bedroht.
Warum all das der Wandel-Bewegung schadet
Wie oben schon erläutert, ist die Rechteübertragung an die Kvm irreversibel. Selbst wenn die Regionalpilot:innen es heute gut meinen, machen sie sich damit auf unabsehbare Zeit abhängig von einem einzelnen Akteur , der Kvm. Sie beschneiden sich und anderen der Möglichkeit, heute oder später auf andere Lösungen und Konzepte umzusteigen und andere Kooperationen einzugehen. Denn diese anderen Lösungen und Konzepte können nicht mehr entwickelt werden, wenn sich ein Akteur die Monopolstellung sichert.
Wie weiter?
Wir möchten faire Bedingungen für alle (in unserem Fall professionalisierte) regionale Redaktionen und Anbieter von Redaktionssystemen. Uns geht es um die Stärkung der Strukturen vor Ort, also dort, wo die Wandel-Arbeit geleistet wird. Wir sehen diesen Beitrag auch als Auftakt zu einer Diskussion, für die es Zeit braucht.
Wir fordern, die Bewilligung der Gelder für 6 Monate auszusetzen, um in dieser Zeit eine Folgenabschätzung bzgl. Opendata-Monopolstrukturen auf das Ökosystem regionaler Wandelakteure durchzuführen.
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Für Menschen, Initiativen und Firmen in Freiburg:
Wenn du uns in dieser Angelegenheit unterstützen willst, gibt uns hier dein Feedback.
Für andere Regional-Redaktionen:
Wir möchten gerne eure Meinung hören und ins Gespräch kommen. Wo steht ihr in diesem Themenkomplex? Wo sind eure Schmerzpunkte? Falls ihr keine damit habt, wie steht ihr zu der Bitte, euch mit uns in dieser Sache zu solidarisieren? Gebt uns hier euer Feedback.
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