Seit einige Wochen wird das Energiekonzept Dietenbach heiß diskutiert. Nun ist es beschlossen. Nicht nur inhaltlich steht das Energiekonzept in der Kritik, auch der Entscheidungsprozess wird kritisiert. Das sagen die Fraktionen dazu.
Was bisher geschah
Das geplante Energiekonzept für den neuen Stadtteil Dietenbach wurde trotz heftiger Kritik eines Experenkreises beschlossen. Vom Gemeinderat wurde aufgrund der Komplexität des Themas viel abverlangt. Zentrale Fragen an die Stadtverwaltung wurden erst nach Einleiten der Ausschreibung geklärt. Der Grund: Jegliche Verzögerungen würden zu erhöhten Kosten führen, so die Stadtverwaltung. Am Abend vor der Entscheidung im Gemeinderat hat der Expertenkreis noch in einem letzten Versuch einen Diskussionsraum zwischen Stadtverwaltung und Expertenkreis eröffnet. Stimmen von Teilnehmenden der Veranstaltung und Expertenkreis sagen: Die Diskussion wird zu spät und mit zu wenig Zeit geführt.
Was sagen die Fraktionen zur Kritik am Prozess? Die StadtWandler-Redaktion hat nachgefragt.
Antworten der Fraktionen auf Frage nach Prozessablauf
Die Frage:
Welche Konsequenz hat das für Sie als Fraktion?
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Wir sehen kein Problem im Prozess. Wir würden das beim nächsten Mal wieder genauso machen.
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Ist blöd gelaufen, aber beim nächsten Mal wird das nicht wieder passieren.
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Der Prozess ist so falsch gelaufen, dass er am besten mit vollständigen Informationen neu diskutiert werden sollte.
Im Falle von B oder C: Was muss strukturell geändert werden?
CDU-Fraktion sagt: "Antwort A. Wir sehen kein Problem im Prozess. Wir würden das beim nächsten Mal wieder genauso machen."
Grüne, SPD/Kulturliste, und Eine Stadt für alle sagen: "Antwort B. Ist blöd gelaufen, aber beim nächsten Mal wird das nicht wieder passieren."
Freiburg Lebenswert sagt: "Antwort C. Der Prozess ist so falsch gelaufen, dass er am besten mit vollständigen Informationen neu diskutiert werden sollte."
Die Fraktionen FDP/BFF, JUPI und Freie Wähler wollen sich in ihren Antworten auf keine Option festlegen.
Um eine Antwort gedrückt hat sich bisher die AfD. (Stand: 10.12.21)
Gesamte Antwort von FDP/BFF
"Tatsächlich ist weder A noch B noch C völlig zutreffend.
Natürlich ist die Thematik schwierig und es bleiben nach wie vor viele unbekannte Parameter, die nicht genau abgeschätzt werden können.
Ja, man hätte die Informationen von seiten der Stadt früher bereitstellen können, für alle Fraktionen wäre mehr Zeit zur Einarbeitung nützlich gewesen. Dennoch war der Gemeinderat in der Lage, die Situation zu beraten, wenn auch unter hohem Zeitdruck. Es ist gelungen, im Austausch mit der Verwaltung die Ausschreibung noch einmal auszubreiten, und das ist genau unsere Aufgabe als Gemeinderat. Fakt bleibt, dass nach allen Beratungen und vielen Gesprächen mit unterschiedlichsten Expert*innen die Konzepte eng beieinander liegen. Eine der Varianten als pauschal "klimaschädlich und teuer" zu bezeichnen ist ein unzulängliches Fazit. Die Unterscheidung findet hier lediglich anhand der individuell priorisierten Schwerpunkte statt.
Es gibt an dieser Stelle keine "falsche" Entscheidung, die der Gemeinderat treffen kann, da sich wenn überhaupt rückblickend eine genaue Gegenüberstellung der Konzepte anstellen ließe.
Die Problematik im Prozess ist insofern nicht anders als die Problematik aller ehrenamtlichen kommunalpolitische Arbeit: die Fraktionen müssen mit begrenzten Ressourcen oftmals sehr schnell in hochkomplexe Thematiken einsteigen und richtungsweisende Entscheidungen treffen, die die Stadt auf Jahrzehnte prägen könnten. Dies zu leisten ist eine inhärente systemische Problematik im demokratischen Prozess, die aber in diesem Fall nicht viel anders ist als in vielen weiteren kommunalpolitischen Prozessen. Eine Neuauflage des Prozesses würde nicht nur die Kosten steigern, auch würden viele schlicht nicht abschätzbare Parameter bis dahin ebenfalls nicht vorliegen können. Dies wäre also nicht von Nutzen für das Projekt."
Gesamte Antwort von JUPI
"Vorabbemerkung:
Sowohl das Verfahren als auch die Materie an sich ist so komplex, dass wir unsere Antwort nicht auf ein verkürztes ABC-Schema runterbrechen können. Wir bitte um Verständnis, dass wir in dieser Frage etwas weiter ausholen müssen.
Unsere Sicht des Verfahrens:
Mit dem Bau des klimaneutralen Stadtteils Dietenbach leistet die Stadt Freiburg Pionierarbeit. Aus diesem Grund ist die Stadtverwaltung wie auch der Gemeinderat auf unabhängige Expertisen angewiesen, um grundlegende Entscheidungen zum Energiekonzept treffen zu können. Daher wurden von einem renommierten Ingenieurbüro unterschiedliche Varianten zur klimaneutralen Energieversorgung des Stadtteils entworfen und bewertet. Die Bewertung sah zwei Varianten als grundsätzlich für geeignet an (Variante 2 und Variante 4), Klimaneutralität in der Energieversorgung zu erreichen. Variante 4 mit der Wasserstoffgewinnung wurde von Stadtverwaltung nach weiteren Prüfungen präferiert.
Zweifel am demokratischen Verfahren?
Vom Grundsatz her, zieht unsere Fraktion das Verfahren nicht in Zweifel. Wie bei solchen Prozessen grundsätzlich üblich, hat die Stadtverwaltung eine Vorlage erstellt, in die die Empfehlungen der Expert*innen des Ingenieurbüros eingeflossen sind und welche als Diskussionsgrundlage für den Gemeinderat und seine Ausschüsse diente. Der Gemeinderat ist bewusst kein aristokratisches Expert*innengremium und muss sich daher in Detailfragen auf die Stadtverwaltung und auch Expert*innen verlassen können. Da der Rat auch eine Kontrollfunktion der Verwaltung innehat, ist es selbstverständlich, dass wir, wenn Zweifel an der Darstellung der Verwaltung aufkommen, uns auch in komplexen Fragen Rat von Expert*innen einholen. Genau dies haben wir getan und haben mit einem Fragenkatalog auch die Stadtverwaltung zur Stellungnahme zu den aufgeworfenen Fragen angewiesen. Wir haben nicht nur mit den Expert*innen geredet, die uns proaktiv angeschrieben haben, sondern beispielsweise auch mit Forscher*innen der Fraunhofer-Institute gesprochen.
In Abwägung aller Argumente sind wir zu der Erkenntnis gelangt, dass sowohl Variante 2 als auch Variante 4 grundsätzlich das Potenzial haben, den Stadtteil klimaneutral mit Energie zu versorgen. Auch auf der Seite der Kosten für Verbraucher*innen sind die Unterschiede minimal. Der Idee einer Wasserstoffproduktion wie in Variante 4 sind wir nach Anhörung von Expert*innen grundsätzlich nicht abgeneigt.
War es ein Fehler, die Ausschreibung des Wärmekonzeptes schon im Juli zu beschließen?
Die erste Ausschreibung des Wärmekonzeptes enthält noch wenige Detailfragen. Grundsätzlich geht es zunächst darum, potenzielle Anbieter*innen EU-weit ausfindig zu machen. Detailfragen werden erst in Verhandlungen mit den Anbieter*innen nach der ersten Ausschreibungsphase geführt.
Unserer Fraktion ist es weiterhin wichtig, dass der Zeitplan für Dietenbach einigermaßen gehalten wird, denn es braucht besser gestern als übermorgen die dringend benötigten Wohnungen.
Da uns jedoch zugesichert wurde, dass die Ausschreibung grundsätzlich sehr offen formuliert wird, konnten wir den Beschluss so mittragen. Für diese Offenheit werden wir uns auch weiterhin einsetzen.
Braucht es einen Klimabeirat?
Grundsätzlich halten wir wissenschaftliche Expertise für unabdingbar für unsere Arbeit. Die Frage, ob dazu ein weiteres Gremium gegründet werden muss, haben wir noch nicht abschließend für unsere Fraktion geklärt. Wie oben beschrieben, gehen die Einschätzungen weit auseinander, sodass ein einheitliches Votum eines solchen Beirats auch unwahrscheinlich wäre. Wichtig wäre uns auf jeden Fall, dass ein solcher Beirat unvoreingenommen agiert und nur aus unabhängigen Expert*innen besteht, die z.B. nicht selbst als Bauentwickler*innen in Freiburg tätig sind."
Gesamte Antwort von Freiburg Lebenswert
"Der Gemeinderat ist die politische Vertretung der Bürgerschaft. Im obliegt die kommunalpolitische Führung in der Gemeinde. Er trifft die Entscheidungen. Und er kontrolliert die Gemeindeverwaltung und überwacht den Vollzug seiner Beschlüsse.
Wie kann es also sein, dass der Projektleiter von Dietenbach erklärt, dass sich die Verwaltung bereits im April 2021 darauf verständigt hat, dass einzig die Variante V4 mit Energiezentrale, warmen Nahwärmenetz und Wasserstoffelektrolyse dem Gemeinderat zur Entscheidung vorgelegt werden soll. Zu diesem Zeitpunkt waren die verschiedenen möglichen Varianten der Energieversorgung von Dietenbach in keinem gemeinderätlichen Ausschuss vorberaten worden. Bevor der Gemeinderat überhaupt von der Existenz der Varianten Kenntnis hatte, hat die Verwaltung mal einfach die Entscheidungskompetenz des Gemeinderates auf sich übertragen und dem Gemeinderat die Funktion des reinen Abnickers zugedacht. Das ist ein Affront sondergleichen! Da muss man sich doch mal fragen, ob dieser Vorgang nicht ein Fall für die Rechtsaufsicht ist.
Für mich gilt Ihr Fall C. Die Verwaltung muss sich unbedingt vorher mit den externen Energieexperten nochmal zusammensetzen und diesmal auch auf sie hören. Die liegen mit ihrer Kritik völlig richtig! Eine behauptete Verzögerung von 1 - 2 Jahren ist doch, selbst wenn es wirklich so wäre, was ich bezweifle, unerheblich, da wir andere Baugebiete wie Kleineschholz oder Hinter den Gärten vor der Realisierung haben, wo bereits hunderte von Wohnungen in naher Zukunft erstellt werden."
Gesamte Antwort der SPD/Kulturliste
"Insbesondere aufgrund der hohen Komplexität der Thematik war es für uns Laien im Stadtrat nicht einfach in diesem knappen Zeitfenster alles in der angemessenen Tiefe zu durchdringen. Daher sind wir den zahlreichen Freiburger Akteur:innen für ihre fachliche Expertise und ihr Engagement sehr dankbar. So konnten wir einige Punkte korrigieren und übernommen (u.a. KfW40 als höherer Energiestandard und die nochmalige Expert:innen-Rückkopplung zum Thema Elektrolyseur). Dennoch werden wir bei derart weitreichenden Entscheidungen zukünftig mehr Zeit und eine größere Einbindung der lokalen Expert:innen einplanen."
Gesamte Antwort der Grünen
"Antwort B
Ein wichtiges Ergebnis der letzten Wochen ist, dass wir die lokale Expertise in Zukunft gern in einem anderen Format einbinden wollen. Das innovative Element der Wasserstoffproduktion wird intensiv diskutiert. Zu diesem Aspekt erscheint es sinnvoll, eine zweite Fachmeinung, zum Beispiel eine Anhörung von Experten, vor der diesbezüglichen weiteren Beschlussfassung einzuholen. Das möchten wir für die Zukunft dringend empfehlen."
Gesamt Antwort von Freie Wähler
"So darf ich Ihnen nun mitteilen, dass es von Seiten der FW keine Festlegung auf Antwort A., B., oder C. geben kann, da die Thematik zu komplex ist. Die Fraktion vertraut jedoch der Verwaltung, die sich größtmögliche Mühe gibt sowie deren Fachkompetenz. Für uns ist wichtig, dass Optionen offengehalten werden, damit gegebenenfalls einfach und schnell nachjustiert werden kann."
Gesamte Antwort von Eine Stadt für Alle
Für unsere Fraktionsgemeinschaft EINE STADT FÜR ALLE ist es wichtig, dass die gesamte in Freiburg vorhandene Expertise so gut wie möglich in solch eine Entscheidung mit eingebunden wird. Insgesamt handelt es sich beim Bau eines so großen Stadtteils um eine sehr komplexe und weitreichende Aufgabe. Daher ist es sinnvoll, die von der Verwaltung entwickelten Vorschläge ggf. zukünftig auch einem unabhängigen Klimabeirat vorzulegen und bewerten zu lassen.
Ob und mit welchen unabhängigen Expert:innen ein solcher Klimabeirat eingesetzt würde, müssen wir in der Fraktion und mit der Stadtgesellschaft noch weiter diskutieren. Klar ist, dass in den städtischen Ausschüssen sachkundige Bürger:innen bereits schon eingebunden sind. Unsere Fraktion ist immer offen, auch diesen Kreis zu erweitern.
Es liegt in der Natur der Sache, dass sich über die lange Phase der Planung und des Baus nie alles genau vorhersagen lässt und auch dass verschiedene Expert:innen unterschiedliche Meinungen vertreten. Die in der Stadtgesellschaft aufgekommene Debatte hat in jedem Fall genutzt, das Wissen bei allen Beteiligten zu vergrößern und am Ende auch konkrete Anpassungen erwirkt (höherer Energiestandard mit KfW40, weitere Meinung einholen zur Wasserstofferzeugung usw.). Insofern trifft die Aussage B wohl am besten zu. In Zukunft wird es darum gehen, solche Entscheidungsprozesse noch langfristiger vorzubereiten. Freiburg kann sich glücklich schätzen, dass sich so viele Menschen intensiv mit klimapolitischen Zukunftsfragen beschäftigen.